New Work: Die Zukunft der Arbeit gestalten
In einer Zeit tiefgreifender Veränderungen durch Digitalisierung und globale Vernetzung wandelt sich unsere Arbeitswelt grundlegend. Das Konzept "New Work" gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung – doch was verbirgt sich dahinter und welche Kompetenzen brauchen wir, um in dieser neuen Arbeitswelt erfolgreich zu sein?
Was bedeutet New Work?
Der Begriff "New Work" geht auf den Philosophen Frithjof Bergmann zurück, der bereits in den 1980er Jahren eine Vision der Arbeit entwickelte, die auf Autonomie, Freiheit und persönliche Entfaltung setzt. Heute umfasst New Work verschiedene Aspekte moderner Arbeitsgestaltung:
- Arbeitszeitflexibilisierung: Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Jobsharing
- Arbeitsortflexibilisierung: Homeoffice, Remote Work, Coworking
- Kollaboratives digitales Arbeiten: Vernetztes Arbeiten, interdisziplinäre Projekte
- Neue Organisationsstrukturen: Flachere Hierarchien, Selbstorganisation
Die COVID-19-Pandemie hat diesen Wandel massiv beschleunigt. Laut einer Bitkom-Studie gaben 84% der befragten Unternehmen an, dass die Digitalisierung durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen hat.[^https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-treibt-Digitalisierung-voran-aber-nicht-alle-Unternehmen-koennen-mithalten] Zudem zeigte sich, dass Unternehmen mit bereits digitalisierten Geschäftsmodellen und -prozessen besser durch die Krise kamen.
Das Whitepaper "New Work Schweiz" [^https://sarah.genner.cc/blog/whitepaper-new-work-schweiz] definiert New Work als das Schaffen eines attraktiven Arbeitsumfelds unter den Bedingungen des raschen technologischen Wandels und des Fachkräftemangels, um Talente anzuziehen und zu halten. Dabei steht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden im Fokus, denn neu ist nicht immer an sich besser. Es gibt keine Patentrezepte; jede Organisation muss ihren eigenen Weg finden, ein guter und nachhaltiger Arbeitgeber zu sein.
Die drei zentralen Treiber von New Work
- Digitale Transformation: Sie revolutioniert Arbeitsmodelle, indem sie Flexibilität, Kollaboration und Innovation fördert. Das mobile Internet und Cloud-Computing ermöglichen zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, wodurch Freiräume für Kreativität und Eigenverantwortung entstehen. Digitale Kompetenzen, lebenslanges Lernen und Self-Leadership rücken in den Fokus.
- Hybrides Arbeiten: Es hat sich als zentrales Element von New Work etabliert und kombiniert die Vorteile von Präsenzarbeit und Homeoffice. Dies steigert die Flexibilität und reduziert Pendelzeiten. Mitarbeitende können ihre Arbeitsumgebung je nach Aufgabe und Präferenz wählen, was mehrheitlich die Zufriedenheit fördert.
- Der Kampf um Talente: Der Fachkräftemangel beschäftigt viele Organisationen. Flexible Arbeitsmodelle sind ein entscheidender Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte. Diese erwarten zudem einen angemessenen Lohn, sinnstiftende Aufgaben, transparente Kommunikation und eine vertrauensvolle Unternehmenskultur.
Acht zentrale Handlungsfelder von New Work
Um New Work konkret umzusetzen, lassen sich für Organisationen acht zentrale Handlungsfelder identifizieren [^sarah.genner.cc/blog/was-bedeutet-new-work-konkret]:

1. Mobiles Arbeiten ermöglichen
Die Flexibilisierung des Arbeitsortes ist ein Kernaspekt von New Work. Mobiles Arbeiten bedeutet mehr als nur "Homeoffice" – es geht um die grundsätzliche Freiheit, dort zu arbeiten, wo man produktiv sein kann. Dies erfordert:
- Cloudbasierte Systeme und mobile Geräte
- Klare Abmachungen zu Erwartungen bezüglich Anwesenheit und Erreichbarkeit
- Spezielle Unterstützung beim Onboarding neuer Mitarbeitender
- Faire Balance zwischen Mitarbeitenden in mobilen und standortgebundenen Berufen
Studien zeigen, dass mobiles Arbeiten bei guter Umsetzung sowohl die Produktivität als auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigern kann. Die Mehrheit der Beschäftigten bevorzugt zwei bis drei Tage Homeoffice pro Woche.
2. Digitale Zusammenarbeit verbessern
Erfolgreiche digitale Kollaboration basiert nicht nur auf den richtigen Tools, sondern auch auf etablierten Prozessen und Kommunikationsregeln:
- Nutzung vielfältiger Kollaborationstools
- Klare Abmachungen über die Art der Zusammenarbeit
- Förderung asynchroner Arbeitsweisen für mehr Flexibilität
- Training der Mitarbeitenden in der produktiven Nutzung digitaler Tools
Wichtig zu verstehen: Bloss weil Dokumente geteilt werden, bedeuten dies nicht automatisch ein geteiltes Verständnis (co-creieren).
3. Meeting-Qualität verbessern
Meetings – ob virtuell oder in Präsenz – sind oft ineffizient und zeitraubend. Eine Verbesserung der Meeting-Kultur ist daher ein wichtiger Baustein von New Work:
- Bewusste Entscheidung über das Format: Präsenz, online oder hybrid
- Konsequente Prüfung der Notwendigkeit jedes Meetings
- Klare Agenda und Zielsetzung für alle Besprechungen
- Verkürzte Standardzeiten (z.B. 25 oder 45 Minuten statt 30 oder 60)
- Einführung von Meeting-freien Zeiten für konzentriertes Arbeiten
4. Führung und Kultur im digitalen Wandel optimieren
Der Erfolg von New Work hängt massgeblich von einer angepassten Führungs- und Unternehmenskultur ab:
- Förderung der Identifikation mit dem Job, dem Team und der Organisation
- Entwicklung eines zeitgemässen Führungsverständnisses (vom Kontrolleur zum Coach)
- Aufbau von psychologischer Sicherheit als Grundlage für Innovation
- Etablierung einer Feedback- und Lernkultur
- Stärkung der Organisationskultur durch gemeinsamen Purpose und klare Ziele
"Wer Digitalisierung auf Technologien reduziert, liegt falsch. Es braucht die Anpassung der Unternehmenskultur, neue Geschäftsmodelle und die Anpassung der Prozesse." Die Art des Tools verändert immer auch unsere Art des Denkens und Handelns.
5. Motivierte Teams und Innovation fördern
Intrinsische Motivation ist der Treibstoff für Innovation und Engagement. New Work zielt darauf ab, diese zu stärken:
- Vertrauen und psychologische Sicherheit als zentrale Faktoren
- Schaffung von Autonomie und Gestaltungsspielräumen
- Verbindung der individuellen Arbeit mit einem grösseren Sinnzusammenhang
- Förderung kontinuierlicher Weiterbildung
- Implementierung agiler Methoden zur Förderung von Kreativität
6. Selbstführung stärken und digitale Überlastung vermeiden
In flexibleren Arbeitsstrukturen wird Selbstführung zur Schlüsselkompetenz:
- Entwicklung von Fähigkeiten zur Selbstorganisation, Strukturierung und Motivation
- Förderung von Digital Wellbeing und bewussten Auszeiten
- Sensibilisierung im betrieblichen Gesundheitsmanagement
- Unterstützung bei der Entwicklung individueller Strategien für Boundary Management
Digitale Überlastung kann ernsthafte Folgen haben: Laut Studien berichten 36% der Befragten von negativen Auswirkungen permanenter digitaler Erreichbarkeit auf ihre Produktivität und 40% auf ihre Gesundheit. [^https://digitalcollection.zhaw.ch/items/55d13f1b-c421-4fd2-af81-c01986674503]
7. Inspirierende Arbeitsräume gestalten
Auch in Zeiten von Remote Work bleibt das Büro ein wichtiger Ort – allerdings mit veränderter Funktion:
- Transformation des Büros vom reinen Arbeitsplatz zum Begegnungs- und Kollaborationsort
- Bereitstellung von Meetingräumen, Workshop-Zonen und Begegnungsflächen
- Funktionale und menschenfreundliche Einrichtung
- Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse (fixe Plätze vs. Flexdesk)
- Beachtung ergonomischer Anforderungen
8. Moderne IT-Infrastruktur aufbauen
Eine leistungsfähige, nutzerfreundliche IT-Infrastruktur bildet das technische Fundament für New Work:
- Zeitgemässe technologische Ausstattung zur Motivation der Mitarbeitenden
- Balance zwischen Systemadministration/Cybersicherheit und individuellen Präferenzen
- Cloud-Lösungen für mobiles Arbeiten
- Professionelle Backup-Strategien als Schutz vor Cyberangriffen
Die Produktivitätsparadoxie der IT zeigt jedoch: Technologie allein reicht nicht aus – entscheidend ist die sinnvolle Einbettung in Prozesse und Kultur.
Die Bedeutung vertrauensbasierter Führung und psychologischer Sicherheit
Ein zentraler Aspekt erfolgreicher Teams in der neuen Arbeitswelt ist das Konzept der psychologischen Sicherheit. Laut der Forscherin Amy Edmondson ist psychologische Sicherheit "ein gemeinsamer Glaube daran, dass es in Ordnung ist, Risiken einzugehen, seine Meinung zu äussern, Fragen zu stellen und Fehler zuzugeben – ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen."
Das Google-Projekt "Aristotle" [^https://rework.withgoogle.com/en/guides/understanding-team-effectiveness#introduction] identifizierte psychologische Sicherheit als den wichtigsten Faktor für erfolgreiche Teams. Die Studie zeigte, dass Teams mit hoher psychologischer Sicherheit:
- 76% engagierter und produktiver sind
- 50% innovativer arbeiten
- eine 50% geringere Fluktuation aufweisen
New Work ist im Kern ein Kultur- und Mindset-Thema. Jede spannende neue Initiative versandet, wenn sie nicht in der Kultur verankert werden kann. Um neue Arbeitsweisen und Offenheit gegenüber Innovationen zu fördern, bedarf es einer vertrauensbasierten Führung und Kultur.
Die Great Place To Work® European Workforce Study 2025 [^https://europeanworkforcestudy.com] unterstreicht: Hybride Arbeit wird zur Norm. Wenn Mitarbeitende entscheiden können, bevorzugen 57 Prozent hybride Arbeitsformen gegenüber der Arbeit vor Ort. Erfolgreiche Flexibilität des Arbeitsorts ist ein Produkt von Führung mit hohem Vertrauen. Hybride Arbeitnehmende verlassen seltener das Unternehmen, und Hybridarbeit führt zu höheren wirtschaftlichen Erfolgen.
Schlüsselkompetenzen für New Work
Was braucht es, um in dieser neuen Arbeitswelt zu bestehen? Folgende Schlüsselkompetenzen sind entscheidend:
1. Digitale Kompetenzen
- Digital Literacy: Grundlegendes Verständnis digitaler Medien und Systeme
- Informationskompetenz: Die Fähigkeit, digitale Informationen zu suchen, zu filtern und zu verarbeiten
- Datenschutzbewusstsein: Verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen digitalen Identität
- Kollaborationstools: Kompetenz im Umgang mit digitalen Zusammenarbeitstools
2. Selbstkompetenzen
- Self-Leadership: Die Fähigkeit, sich selbst zu führen und zu motivieren
- Boundary Management: Aktives Managen der Grenzziehung zwischen Berufs- und Privatleben
- Resilienz: Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress und Veränderungen
- Lernfähigkeit: Kontinuierliche Weiterentwicklung durch lebenslanges Lernen
- Flexibilität: Offenheit für Neues und die Bereitschaft zur Anpassung
3. Sozialkompetenzen
- Teamfähigkeit: Erfolgreiche Kollaboration in gemischten Teams
- Kommunikationsfähigkeit: Klare und konstruktive Kommunikation, auch in digitalen Kanälen
- Empathie: Einfühlungsvermögen in andere Perspektiven und Bedürfnisse
- Konfliktfähigkeit: Konstruktiver Umgang mit Meinungsverschiedenheiten
- Netzwerkfähigkeit: Aufbau und Pflege von Beziehungen, auch in hybriden Arbeitssettings
4. Methodenkompetenzen
- Kritisches Denken: Die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen und zu bewerten
- Analytisches Denken: Komplexe Zusammenhänge erkennen und strukturieren
- Problemlösungskompetenz: Herausforderungen identifizieren und Lösungsstrategien entwickeln
- Projektmanagement: Strukturierte Planung und Durchführung von Projekten
- Agile Arbeitsmethoden: Vertrautheit mit flexiblen Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban
5. Führungskompetenzen
- Digital Leadership: Führung in digitalen und hybriden Arbeitsumgebungen
- Change Management: Begleitung von Veränderungsprozessen
- Agile Führung: Richtung vorgeben, aber den Weg dem Team überlassen
- Coaching-Fähigkeiten: Förderung und Entwicklung von Mitarbeitenden
- Ambiguitätstoleranz: Umgang mit Unsicherheit und Komplexität
Fazit: New Work als kontinuierliche Entwicklung
New Work ist kein fester Zustand, sondern ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, der sowohl technologische als auch kulturelle Aspekte umfasst. Es geht nicht darum, jede neue Arbeitsform oder jedes digitale Tool unreflektiert zu übernehmen. Vielmehr sollten wir kritisch hinterfragen, welche Elemente für unsere spezifische Situation Sinn machen und einen echten Mehrwert bieten.
Wie Jürg Stuker im CAS New Work betont: "Neu ist nicht an sich besser." Es geht darum, bewusst zu gestalten, was für die eigene Organisation und die eigenen Mitarbeitenden am besten funktioniert. Das erfordert eine kontinuierliche Reflexion und Anpassung - sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene.
In meiner Arbeit erlebe ich täglich die tiefgreifenden Veränderungen, die die Arbeitswelt von uns fordert: Wie gestalten wir digitale Prozesse sinnvoll? Wie lässt sich eine flachere Hierarchie in einem Team etablieren, und was bedeutet Leadership im Kontext von New Work? Wer die Prinzipien von New Work zu integrieren beginnt, erkennt schnell: Von uns allen werden Offenheit, Lernbereitschaft und die Fähigkeit zur Selbstreflexion gefordert. Denn im Kern geht es bei New Work darum, die Arbeitswelt menschlicher zu gestalten und Raum für Entfaltung, Sinnstiftung und Selbstbestimmung zu schaffen – inmitten einer sich stetig wandelnden, unbeständigen Welt. Oder wie Martin Oswald es treffend formuliert: „Im Kern geht es immer um den Menschen. Wir können nur Erfolg haben, wenn es uns gelingt, die Mitarbeitenden auf diese Reise mitzunehmen."
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